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Von braunen Blättern und blauem Stress

„Lieblingsstücke“ heißt eine Ausstellung im ipcenter/ip.forum, die die Arbeiten der Medienlehrlinge noch bis September 2023 ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Es sind besondere Fotos und Zeichnungen, aber auch kurze Videos und komplexe Filmproduktionen, die die Jugendlichen vor oder während ihrer überbetrieblichen Ausbildung zum/zur Medienfachmann/-frau (m/w/x) im ipcenter angefertigt haben. Ein paar von ihnen stellen wir beispielhaft vor.

Dass sie laut „The Economist“ in der lebenswertesten Stadt der Welt wohnen, haben einige Medienlehrlinge zum Anlass genommen, die Besonderheiten der Donaumetropole in kurzen, gleichwohl sehr unterschiedlichen Arbeiten zu zeigen. Vom Stil her sehr sachlich ist eine sechsminütige Dokumentation von Rene Bauch und Daniel Lammer über das Wiener U-Bahn-Netz, in deren Zentrum die Architektur und das Design der Stationen von Otto Wagner steht. Sehr gefühlvoll vergleicht dagegen Elham Sharokhi Österreichs Hauptstadt mit Irans Hauptstadt Teheran und zeigt in ihren Aufnahmen von Schlössern und anderen architektonisch beeindruckenden Gebäuden, dass die beiden Orte gar nicht so weit voneinander entfernt liegen und einander gar nicht so fremd sind, wie es scheinen mag. „Die Aufnahmen in Teheran habe ich im Urlaub gemacht“, erzählt sie und lässt ansonsten ihre Kamera sprechen, die zu stimmungsvoller Folkloremusik über Fassaden und Brunnen gleitet und in nur zwei Minuten viel von beiden Städten einfängt.

Auf ganz andere Art informativ ist ein fünfminütiges Video von Jasmin Pecl, die gern einen Film über die Natur in der Stadt machen wollte und dabei Wert auf Fakten legt. „In Wien gibt es ja sehr viel Parks, deshalb hatte ich die Idee, die schönsten auszuwählen und vorzustellen.“ So hat sie ihre ganz persönliche Rangliste der Top 5 ins Bild gesetzt, Informationen über Größe und geschichtlichen Hintergrund inklusive.

Thumbnail vom Video zu den Top 5 Parks in Wien
„Top 5 Parks in Wien“ – Jasmin Pecl

Von Jasmin Pecl stammt auch ein Foto, dessen Reiz vom Kontrast zweier organischer Strukturen erzeugt wird: Ein paar hellbraune Blätter, die an zum Zerreißen dünnes Pergament erinnern, hängen vor der dicken borkigen Rinde eines Baums. „Herbstblätter” hat es die Fotografin genannt; ein schlichter Titel für ein Bild, das sehr beredt vom Werden, Wachsen und Vergehen erzählt. Durch die Adern, die mit ihrem hellen Beige beinahe hautfarben wirken und die bis in die kleinste Verästelung zu sehen sind, wirken die verwelkenden Blätter lebendig und tot zugleich. Auch der Baum, vor dem sie schweben, trägt hinter der Rinde, die mit ihren vielen Vertiefungen trotz aller Starrheit durchlässig erscheint, beide Seiten in sich. Niklas Lager hat für seinen Entwurf einer Postkarte ebenfalls Bäume und Baumstämme als Motive ausgewählt, doch nicht fotografiert, sondern mit zarten Linien gezeichnet.

Braune Herbstblätter auf grauem Betonboden
„Herbstbätter“ – Jasmin Pecl

Von der Ruhe in der Natur ist es nur ein kurzer Weg zur Hektik, die das Leben in der Stadt mit sich bringt: „Stress” heißt ein Bild, das Leona Pitsch während ihrer Zeit in der Jugendwerkstatt im ipcenter gemalt hat. Es ist das Porträt eines schreienden Menschen, aus dessen Kopf blaue Wolken wie Flüssigkeiten quellen. „Nachdem ich die Schule abgebrochen und in der Jugendwerkstatt angefangen hatte, war ich zuerst noch ziemlich verloren, weil ich nicht wirklich wusste, was ich machen möchte.” Eine Trainerin von Leona hatte die Idee, dass sie sich auf der Graphischen bewerben könnte. Während der vier Monate, in denen sie ihre Bewerbungsmappe angelegt hat, ist das Bild entstanden. „Ich habe es angefertigt, weil ich mich in dieser Zeit von verschiedenen Sachen sehr habe stressen lassen, und das wollte ich gern darstellen.”

Gemaltes Bild auf dem ein schreiendes Gesicht zu sehen ist
„Stress“ – Leona Pitsch

Dass der Mensch auf dem Bild den Mund zu einem Schrei aufreißt, hat mehrere Gründe. „Ich möchte zeigen, wie man sich innerlich fühlt, wenn man einfach nur schreien will.” Und auch handwerklich hat Leona der Schrei gereizt: „Ich wollte gern mal einen anderen Gesichtsausdruck ausprobieren als den üblichen. Das war sehr challenging.” Die passenden Vorlagen hat sie auf Pinterest gefunden und daraus ein neues Gesicht geschaffen. „Die Nase beispielsweise habe ich selbst gemalt, und Augen sind sowieso mein Fachgebiet. Der aufgerissene Mund war wegen der Zähne und Schatten dagegen sehr schwierig.”

Rund drei Tage hat Leona an dem Bild gearbeitet. Für das ausdrucksstarke Gesicht hat sie zu schwarzem Buntstift gegriffen. „Bleistift habe ich nicht genommen, weil er zu sehr glänzt.” Dem Stress hat sie ebenfalls mit Buntstift Ausdruck verliehen und für den besseren Effekt noch einmal mit gleichfarbigem Filzstiften drübergemalt. „Zuerst wollte ich den Stress rot malen, aber diese Farbe verbinde ich eher mit Wut. Für Stress wollte ich etwas Kühleres haben, deshalb habe ich Blau gewählt.”

Keinen Stress, aber viel Bewegung zeigt ein Bild von Rene Bauch, der sein Faible für die Stadt und ihre Schienenfahrzeuge nicht nur zu einem Video über das Wiener U-Bahn-Netz verarbeitet hat, sondern auch zu einem offenbar am frühen Abend entstandenen Foto, auf dem sich zwei Straßenbahnen der Linien D und 71 am Schwarzenbergplatz treffen. Dank einer langen Belichtungszeit zeigt sich die Dynamik der Fahrzeuge vom Typ ULF, die sich gerade in die Kurve legen. Gelungen ist aber auch der Kontrast von Maschinen und Mensch, denn im Vordergrund des Fotos steht eine junge Frau, die die Begegnung der Bahnen offenbar ebenfalls fotografisch festhält. Passender Titel von Rene Bauchs Foto, das wie alle anderen Arbeiten der Medienlehrlinge sehr sehenswert ist: Das Mädchen und die Stadt”.

Hier können Sie einen Blick in die virtuelle Galerie werfen.

 

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