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Virtuelle Räume verbinden Bilder mit Bildung

Was ist Ihr ganz persönliches Lieblingsstück? Vielleicht ein altes Sofa, das schon diverse Umzüge überlebt hat? Eine Halskette, die Sie von Ihrem letzten Trip nach Berlin mitgebracht haben? Oder eine Teedose aus London? Das Lieblingsstück von Dominik Scholler, Medienlehrling im ipcenter, ist ein Film. „The center” heißt er und zeigt auf nicht ganz ernst gemeinte Weise den Alltag von Medienlehrlingen im ipcenter. Der 18-Jährige hat den Film als Auftakt zu einer Comedyserie im Stil der US-Produktion „The office” zusammen mit anderen Medienlehrlingen gedreht und als Beitrag für eine Ausstellung namens „Lieblingsstücke” eingereicht. Gezeigt werden soll sie in den Räumen des ipcenters, wo sonst namhafte Künstler:innen ihre Bilder im Rahmen des ip.forums präsentieren.

Besonders an der Tatsache, dass dieser Platz nun den Lehrlingen eine Zeitlang überlassen wird, ist nicht nur die Art der Lieblingsstücke, die mit einem Sofa oder einer Teedose wenig gemeinsam haben, sondern dass sie als Arbeiten während der überbetrieblichen Medienausbildung im ipcenter entstanden sind. Besonders daran ist außerdem, dass die Ausstellung zusätzlich in einer virtuellen Galerie zu sehen sein soll. „Dort ist man nicht auf die Kunstwerke beschränkt, sondern hat viel mehr Möglichkeiten”, erklärt PJ Maguire, der die Idee für die virtuelle Galerie hatte. Der 43-Jährige arbeitet zusammen mit einem halben Dutzend Kolleg:innen im e-Competence Center, das auf die digitale Vermittlung von Wissen spezialisiert ist.

Die Idee für eine virtuelle Galerie wurde bei einer Vernissage im September 2022 im ip.forum geboren. „Über Instagram haben wir auch viele Fans im Ausland”, erklärt PJ Maguire. Bislang war es ihnen aber nicht möglich, sich die Ausstellungen vor Ort anzuschauen. Deshalb hat das e-Competence Center zusammen mit der Firma nanographics eine virtuelle Galerie entwickelt, die sich via Link im Internet betreten lässt. Über eine Lobby führt dort der Weg in einen Bereich, der Einblicke in die Ateliers jener Künstler:innen ermöglicht, deren Werke im ip.forum gezeigt wurden. Außerdem sind dort Interviews zu hören, die PJ Maguire mit den Künstler:innen geführt hat. Auf diese Weise vermittelt die virtuelle Galerie Bildung, die über den Kunstgenuss hinaus reicht.

e-Learning Expert:innen PJ Maguire und Charlotte Leschanowsky im Gespräch mit Christina Rademacher

PJ Maguire und Charlotte Leschanowsky aus dem e-Competence Center

Dass es eine virtuelle Realität (VR) gibt, kann sich jedoch bereits auf das Entstehen eines Kunstwerks auswirken. „Kunstschaffende können sich Werke speziell für diese Welt überlegen, was dann einen kreativen und einen technischen Aspekt hat”, erklärt PJ Maguire. Das wären dann Arbeiten, die besonders gut oder vielleicht auch ausschließlich in der digitalen Welt funktionieren. Oder der:die Künstler:in versieht sein Bild im Nachhinein mit einem Aspekt, den es in der realen Welt nicht hat, zum Beispiel mit einer Animation, einem Video oder einem Lied. Dann beginnt ein Flugzeug zu fliegen oder eine Landschaft zu klingen.

Zu sehen und zu hören ist all das dann im Internet, und zwar am besten mit einer VR-Brille. Wer als Besucher:in die Brille trägt und in jeder Hand ein Steuerelement hält, kann mit einem Laserpointer auf einen der Infopunkte klicken und bekommt dann zum Beispiel einen Audioguide vorgespielt.

So wie die virtuelle Galerie den Entstehungsprozess von Kunst beeinflussen kann, wirkt sie sich auf der anderen Seite auch auf deren Rezeption aus: Eine in Wien kuratierte Ausstellung kann von Menschen aus aller Welt besucht werden, ohne dass sie ihren Wohnort verlassen müssen. Kein Problem also, Bilder gemeinsam mit Freunden aus London oder Melbourne anzuschauen: Die Avatare, die sich durch die virtuellen Räume bewegen, können sich wie bei einem realen Treffen über die Kunst austauschen.

Zurück zu den Lieblingsstücken der Medienlehrlinge vom ipcenter: „Wir planen, die virtuelle Galerie mit Eröffnung der Ausstellung an den Ausbildungsbereich Medien zu übergeben, damit er sie dauerhaft nutzen kann und die Lehrlinge die Möglichkeit bekommen, virtuell zu arbeiten”, erklärt Charlotte Leschanowsky vom e-Competence Center. Um künftig Ausstellungen in der Galerie zu machen, solle das Know-how für den Umgang mit der Galerie auch den Trainer:innen vermittelt werden. Die Medienlehrlinge könnten dann während ihrer überbetrieblichen Ausbildung auch lernen, welche Dateiformate für die VR geeignet seien, ergänzt Cornelia Funovich, Leiterin des e-Competence Centers.

Charlotte Leschanowsky (links) und Cornelia Funovich (rechts) mit der VR-Brille auf dem Tisch

Charlotte Leschanowsky und Cornelia Funovich erklären die Handhabung von VR Controllern

Die drei Expert:innen, die alle selbst Berufserfahrung als Trainer:innen mitbringen und sich täglich mit e-Learning beschäftigen, haben viel Spaß daran, die Möglichkeiten digitaler Wissensvermittlung immer wieder neu auszuloten. Grenzen gebe es nur wenige, meint Cornelia Funovich: „Persönliche Begegnungen sind in der virtuellen Realität natürlich nicht möglich. Und auch olfaktorische Reize, etwa wenn Kunstwerke aus Holz gefertigt worden sind und nach diesem Werkstoff riechen, können dort nicht wahrgenommen werden.”

Letztlich aber könnten nur zwei Dinge dem virtuellen Kunsterlebnis Grenzen setzen, ist PJ Maguire überzeugt: „Die Vorstellungskraft und das Geld.” Medienlehrling Dominik Scholler ist schon nach einem kurzen Blick durch die VR-Brille von den Möglichkeiten der virtuellen Galerie begeistert: „Die Idee, in Ateliers hineinschauen zu können, ist genial. Und genial ist auch, dass man sich von seinem Standort aus mit Künstler:innen, aber auch mit anderen Lehrlingen aus der ganzen Welt treffen und sich mit ihren Werken auseinandersetzen kann.”

 

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