Wenn Kunst zur Eintrittskarte in den Beruf wird: Medienlehrlinge zeigen kreative „Lieblingsstücke“

Es kann ein Etikett für ein Marmeladenglas oder ein Werbeplakat für Döner sein, es kann aber auch ein Schallplattencover, ein Ausstellungsplakat, ein T-Shirt oder etwas ganz anderes sein. Jedenfalls aber ist es etwas, das die Jugendlichen, die im ipcenter eine vom und waff finanzierte Überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) zum Medienfachmann/-frau (m/w/x) machen, für besonders gelungen halten. Die besten Einreichungen für die diesjährige Ausstellung „Lieblingsstücke“ sind ab 12. Juni 2025 im U4 Center zu sehen.

Je näher der Tag der Eröffnung rückt, desto nervöser wird Elena Karloff. Die 56-Jährige, die seit rund sieben Jahren Medienlehrlinge im ipcenter ausbildet, ist auch in diesem Jahr die Kuratorin der Ausstellung. So entspannt und gemütlich der Titel „Lieblingsstücke“ auch klingt – für Elena Karloff bedeutet die Vorbereitung ein halbes Jahr intensive Arbeit. Viele Gedanken geistern ihr dann im Kopf herum, denn es ist viel zu erledigen, bis jedes Werk am Tag der Vernissage optimal präsentiert wird.

Bereits im Herbst 2024 hat die und Ausbildnerin damit begonnen, die Lehrlinge über die Ausstellung zu informieren und einen Katalog aller eingereichten Werke anzulegen. „Oft muss ich den Jugendlichen gut zureden, dass ihre Arbeiten gut genug sind und dass es für sie nur Vorteile hat, wenn sie an der Ausstellung teilnehmen. Das macht sich zum einen gut im Lebenslauf und ist zum anderen eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. In diesem Beruf arbeitet man schließlich nicht im Keller, sondern lebt davon, dass das, was man gestaltet, auch zu sehen ist“, meint sie.

Elena Karloff und LehrlingEin Kunstwerk werde von drei Kriterien bestimmt: „Idee, Ästhetik und meisterhafte Umsetzung.“  Das Werkstück müsse unter mindestens einem dieser Aspekte überzeugen, erläutert Elena Karloff und ergänzt lachend: „Am besten natürlich in allen drei Punkten.“ Nachdem eine Jury Anfang April 2025 über die besten Werke entschieden hat, beginnt die heiße Phase: Einladungskarten müssen gestaltet und ebenso wie Postkarten der gezeigten Werke gedruckt werden; Beschilderungen für die Ausstellung müssen erstellt, Rahmen und Passepartouts ausgewählt und nicht zuletzt die besten Plätze für die Werke gesucht werden. „Kein Werk soll herausstechen, aber jedes soll optimal präsentiert werden, denn mit einer schlechten Position kann man ein Werk kaputt machen“, erklärt Elena Karloff.

Elena Karloff mit WerbeplakatenRäumliches Vorstellungsvermögen sei dafür ebenso nötig wie die Fähigkeit, ein Budget gut zu nutzen: „Es braucht nicht immer einen teuren Rahmen, um ein Werk gut zur Geltung zu bringen, im Gegenteil: Manchmal ist ein frisches Passepartout viel besser.“ Mit Hilfe von Fotos der Wände im U4 Center und des Computerprogramms Photoshop visualisiert sie im Vorfeld verschiedene Anordnungen der Werke. Wichtig sei, sie nicht allein, sondern möglichst in Gruppen zu platzieren. Trotz detaillierter Planung müsse sie flexibel bleiben, sagt Elena Karloff: „Wenn die Werke dann vor Ort sind, ändert sich immer etwas.“

Vom Ergebnis all der Arbeiten im Hintergrund können sich die Besucher:innen der Vernissage, die am Montag, 12. Juni, um 17 Uhr beginnt und musikalisch von Medienlehrling Lew Carson begleitet wird, selbst ein Bild machen. Die Kuratorin verspricht jedenfalls: „Das Niveau ist hoch.“ Zwar gibt es auch traditionelle Radierungen und Retro-Fotografie, doch digitale und insbesondere KI-generierte Kunst dominiert zunehmend. Welche neuen Ausdrucksformen die kreativen Lehrlinge finden, zeigt ein kleiner Vorgeschmack auf die Ausstellung:

  • Textildesign:
    Lara Totzenberger  hat eine ganze Modekollektion entworfen, wobei sie Stoffe selbst bedruckt und Kleidungsstücke selbst genäht hat. Benjamin Waldinger hat ein T-Shirt mit Bleichmitteln gestaltet.
  • Pixi-Bücher:
    „Eilwi und die kleine Krähe“ ist beispielsweise der Titel eines Büchleins von Jacqueline Kalina. Die Illustrationen haben die Lehrlinge von der KI anfertigen lassen.
  • Konfitüregläser:
    Hierfür wurde der Inhalt zunächst verspeist, dann mussten die Etiketten entfernt werden, um Platz für neues Design zu schaffen. Mit Genehmigung des Filialleiters wurden die Gläser dann in einem Supermarkt neben „echten“ Marmeladegläsern fotografiert, wobei der fehlende Inhalt durch Papierattrappen ersetzt wurde.
  • Kalender:
    Sein Thema: Füße! Im Dezember tragen sie Socken mit Schneemännern, im Juli nichts, sondern planschen im Wasser. „Füßilly“ hat Abbas Ahmad Aulakh seinen originellen Führer durch das Jahr getauft.
  • Ausstellungsplakate:
    Sie gehören zu den Klassikern der Lehrlingsausbildung. „Dieses Mal sind wir in die Ausstellung von Erwin Wurm in der Albertina Modern gegangen, denn der Eindruck ist ein ganz anderer, wenn man die Werke im Original sieht“, sagt Elena Karloff. Matthias Breuer etwa war von einer Fotografie des Künstlers so beeindruckt, dass er sie zum Zentrum seines Plakats gemacht hat.
  • KI-basierte Visualisierung von Werbung:
    Wie sich ein traditionelles Produkt für eine moderne Zielgruppe vermarkten lässt, untersuchten die Lehrlinge am Beispiel von Döner und waren damit so erfolgreich, dass ein Schnellrestaurant in Meidling jetzt einen der KI-basierten Entwürfe verwenden möchte – angewandte Kunst aus der ÜBA und zugleich erfolgreicher Eintritt in ein künftiges Berufsfeld.