Yogamatten entstauben und mitmachen
ipcenter-Angestellte, die im mitunter stressigen Alltag die innere Balance finden und mit dem Körper zugleich den Geist stärken möchten, können sich für ein besonderes Angebot anmelden: Alle zwei Wochen montags unterrichtet Bernd Lippert Yoga im U4-Center. Bernadette Trubel und Christina Rademacher, die sich beide für sehr ungelenkig halten und darum normalerweise andere Sportarten bevorzugen, haben die Yogamatten entstaubt und mitgemacht.
Autos werden zu Wasser
Es regnet. Ich laufe mit meiner Yogamatte, die ich in der Früh zu Hause vergessen hatte, zum Büro. Noch zwei Minuten, dann sollte ich zwischen anderen Kolleg:innen im Yoga-Raum sitzen. Der Regen kommt mir nicht gelegen: Nicht nur ich werde nass, sondern auch die Matte, die ich zuvor noch rasch im Keller vom Staub befreien musste.
Ich haste in den Raum. Oh je, nurmehr ein Platz in der ersten Reihe, und das, obwohl ich Yoga wirklich gar nicht kann. Ich rolle meine Matte aus und setze mich neben meine Kollegin Christina, die so wie ich nie Yoga macht und ebenso von sich behauptet, ungelenkig zu sein. Ich schaue auf die Uhr über der Tür und atme durch. Puh, gerade noch rechtzeitig geschafft.
Die ersten Übungen sind im Sitzen. Wir dehnen in der „Butterfly“-Position die Innenseite unserer Beine und drehen die Wirbelsäule in alle Richtungen bei den Übungen „Side Seated Stretch“, „Seated Gentle Twist“, „Open Chest“ und „Cat Cow“. Noch ist es nicht allzu anstrengend. Mal sehen, wie es weiter geht, für die nächsten Übungen stehen wir auf.
Wir machen einen Ausfallschritt und strecken unsere Arme nach oben. Das Gleichgewicht zu halten ist in dieser Position gar nicht so einfach. Und überhaupt, seit wann sind meine Arme so schwer? Waren das jetzt schon die 30 Sekunden, die wir diese Position halten wollten? So lang können 30 Sekunden doch gar nicht sein! Puh, keinem um mich herum scheinen die Arme auch so schwer zu werden. Bernd, bitte check mal die Uhr, das MÜSSEN doch schon 30 Sekunden gewesen sein, oder? „Macht noch einen letzten Atemzug in dieser Position und dann löst euch langsam wieder“, sagt Bernd mit ruhiger Stimme. Na endlich, das wäre sonst bald wirklich mein letzter Atemzug gewesen. Ich merke aber nach und nach einen angenehmen Kontrast zwischen Konzentration, Anspannung und bewusster Entspannung.
Nach ein paar weiteren Yoga-Positionen mit bleiernen Armen und Gleichgewichtsproblemen kündigt Bernd die letzte Übung an. Er ergänzt, dass es meist die Lieblingsübung aller ist. Warum, werde ich gleich verstehen. Er dreht ruhige Musik auf und instruiert uns, mit dem Rücken am Boden liegend und die Handflächen nach oben zeigend, die Augen zuzumachen und auf die Atmung zu achten. Ich atme ein und aus, spüre, wie sich meine Bauchdecke hebt und senkt. Die Musik dazu ist so entspannend. Dass die Fenster offen sind, fällt mir erst jetzt auf: Der Regen, von dem ich vorher so genervt war, klingt in Kombination mit den vorbeifahrenden Autos wie rauschendes Wasser. Idyllisch eigentlich. Ein- und ausatmen. Ein und aus. Die Musik ist wirklich sehr beruhigend. Ich merke, wie mein Körper schwer wird und nehme eine tiefe innere Ruhe wahr. Wie angenehm, als würde ich gleich schlafen. Die Gedanken werden weniger, der Kopf wird ruhig. Ich genieße den Moment.
„Wenn ihr so weit seid, könnt ihr langsam wieder die Augen aufmachen, euch zur Seite rollen und aufsetzen“, sagt Bernd. Langsam wird das rauschende Wasser wieder zu fahrenden Autos und Regen. Wie spät ist es eigentlich? Oha, schon kurz nach halb sieben, ich muss eigentlich sofort weiter, denn ich bin danach verabredet. Dabei bin ich gerade so entspannt und würde total gerne (weiter-)schlafen.
Bernd bedankt sich bei uns fürs Mitmachen und wir bedanken uns bei ihm für die gemeinsame Stunde. Für die 60 Minuten Auszeit vom Stress. Für die Ruhe und Entspannung. Und ich weiß: Meine Yogamatte werde ich nicht wieder zum Verstauben in den Keller geben, sondern sie doch gelegentlich nutzen. Für kleine Yogaübungen im Alltag. Für kurze Momente der Entspannung zwischendurch. Oder für die nächste Yoga-Stunde im ipcenter mit Bernd.
Wie bei einem Erdbeben Stufe 5
Den Fuß so hoch wie möglich an den Oberschenkel des anderen Beins legen und dabei die Hände wie zum Gebet vor der Brust zusammenlegen: Was Bernd Lippert da im mit elf Matten und sanfter Musik zum Yogastudio umfunktionierten Seminarraum des ipcenters vorzeigt, sieht gar nicht so schwer aus. Ich hebe also meinen Fuß, erst bis zum Knie, dann noch ein kleines Stück höher und dann … stopp. Der Boden beginnt zu wackeln wie bei einem Erdbeben Stufe 5 auf der Richterskala und mein Fuß sucht instinktiv wieder die Nähe des Bodens. Ich weiß jetzt, warum wir Menschen zwei Beine haben und normalerweise auch nutzen.
„Es ist ein bisschen schwer, in die Position zu kommen”, hat Bernd Lippert kurz vorher gesagt, aber wenn das einmal geschafft sei, baue sie sehr gut den Stress des Tages ab. Das möchte ich natürlich gern erleben, mein Tag war stressig, früh aufgestanden, nüchtern zur Blutabnahme gefahren, sechs Stunden Deutsch unterrichtet, strömender Regen, volle U-Bahnen, Kopfschmerzen und so weiter, wir kennen das. Die Motivation, Stress abzubauen, ist also mehr als da. Also noch einmal: Sicheren Stand auf dem linken Bein suchen, den Fuß des rechten Beins anheben und ihn an den Oberschenkel drücken. Und dann vielleicht noch die zusammengelegten Hände über den Kopf heben… Gut, dass ich einen Platz an der Wand habe und mich unauffällig abstützen kann.
Dabei sollte es mir egal sein, dass sich zwischen der Position und mir noch keine rechte Harmonie einstellen mag. „Das hier ist keine Leistungsschau”, hat der Yogalehrer uns zehn Teilnehmenden, allesamt eher mit Schreibtisch und Sessel als mit Boden und Matte vertraut, am Anfang der Stunde klar gemacht. Die Schrittstellung noch größer machen? Okay, aber nicht, weil der Nachbar es so macht, sondern nur, weil einem der eigene Körper das Gefühl vermittelt: Da geht noch was. Ein bisschen mehr Dehnung in der Hüfte und ein bisschen mehr Streckung in den Armen beim Ashta Chandrasana, und auch der vom vielen Sitzen am Schreibtisch krumm gewordene Rücken wehrt sich zwar erst, freut sich aber auf lange Sicht, wenn er sich wie beim Vorbeugen im Uttanasana einmal richtig lang machen soll. „Arme über dem Kopf verschränken, dann geht’s etwas leichter”, meint Bernd, und tatsächlich, der untere Rücken gibt nach und wird noch ein klitzekleines bisschen länger.
Uttanasana, Ashta Chandrasana, Supta Matsyendrasana: Noch schwieriger, als manche Positionen einzunehmen, ist es, ihre Namen auf Sanskrit auszusprechen. Orientierung bieten die Karten mit der Abbildung und dem Namen der Position auf Sanskrit und Englisch, die Bernd Lippert in der Reihenfolge der Übungen auf dem Boden ausgelegt hat. Sprechen kann ich normalerweise besser als Yoga, aber bei „Vrkasana“ zum Beispiel, der Übung, die mir so schwerfällt, habe ich nicht nur Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, sondern auch mit der Zunge. Zu Hause schaue ich nach, dass die Position auf Deutsch „Der Baum” heißt. Ein schönes Bild, denn so ein Baum schafft es ja schließlich auch, auf nur einem Bein stabil zu stehen. Vielleicht sollte ich mir beim nächsten Mal Wurzeln vorstellen, die von meinem Fuß in die Erde reichen und mich dort festhalten? Wie auch immer, sicher ist: Übung macht die Meisterin. Für den nächsten Yoga-Termin habe ich mich schon angemeldet.
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