Mit den Sprachkenntnissen wächst das Selbstbewusstsein
Sie alle mögen die abwechslungsreiche, herausfordernde Arbeit mit Kindern und denken, dass Pädagogik keine Einbahnstraße ist, sondern dass auch die Erwachsenen in diesem Beruf sehr viel lernen können: 13 Frauen aus aller Welt absolvieren derzeit einen Deutschkurs auf dem Niveau C1 im ipcenter, um die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten für eine Ausbildung zur Elementarpädagogin und die spätere Arbeit in einem Wiener Kindergarten zu erwerben. In dem 13-wöchigen Kurs mit 20 Stunden Unterricht pro Woche möchten sie so gut Deutsch lernen, dass sie nicht nur die Prüfung bestehen, sondern auch später im Kindergarten ein gutes sprachliches Vorbild sein können.
Beworben haben sich die Teilnehmerinnen beim Wiener Arbeitnehmer:innen Förderungsfonds (WAFF) für die Stiftung Jobs plus Ausbildung, die 2021 ins Leben gerufen wurde. Sie bietet ihnen nach dem Erwerb der Sprachkenntnisse eine praxisnahe Ausbildung über vier Semester in Vollzeit an einer der Bildungsanstalten für Elementarpädagogik (BAfEP), wobei sie finanziell unterstützt werden. Nach der Ausbildung ist den Frauen ein Arbeitsplatz in jenem Kindergarten sicher, in dem sie auch das Pflichtpraktikum absolviert haben. Am Programm wirken zum Beispiel die Wiener Kinderfreunde und die St. Nikolausstiftung mit.
Hintergrund ist, dass die Nachfrage nach qualifizierten Elementarpädagog:innen hoch ist und in den kommenden Jahren weiter steigen wird: Österreichweit werden laut einer Studie der Uni Klagenfurt und des Instituts für Berufsbildungsforschung (öibf) bis 2030 etwa 13700 Fachkräfte in der Elementarpädagogik fehlen. Würde man die Betreuungsverhältnisse verbessern, also pro Kind mehr Pädagog:innen beschäftigen, sollen es sogar 20200 sein. Die Frauen, die derzeit in dem vom AMS beauftragten Deutschkurs die Finessen der deutschen Sprache vom Präteritum über das Passiv bis hin zu den Partikeln lernen, wollen dazu beitragen, diesen Mangel zu lindern. Für ihren Traumberuf bringen sie unterschiedliche Erfahrungen mit:
Areti Kamini, 42 Jahre, aus Griechenland: Dieser Beruf ist ganz neu für mich. Ich finde es aber sehr erfüllend, die Entwicklung von Kindern zu fördern und ihnen beim Lernen und Wachsen zu helfen. Deshalb war ich sehr froh, als ich die Eignungsprüfung zur Elementarpädagogin bestanden und erfahren habe, dass ein für meine Ausbildung passender Deutschkurs startet. Ich habe noch am selben Tag angefangen!
Daliborka Rakic, 45 Jahre, aus Bosnien: Ich habe fast 13 Jahre lang in einem Kindergarten gearbeitet, weil ich mich immer schon sehr für die frühkindliche Entwicklung und die Arbeit mit Kindern interessiert habe. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Man bekommt so viel von den Kindern zurück und lernt selbst jeden Tag mehr über sich selbst und die Welt um sich herum. Deutsch ist eine komplexe Sprache und ich bräuchte eigentlich noch viel mehr Zeit zum Lernen. Aber ich habe im Kurs schon viele für mich neue grammatische Strukturen vermittelt bekommen und meinen Wortschatz erweitert.
Setareh Khalaj, 42 Jahre, aus dem Iran: Ich habe Grafikdesign studiert, was für die Arbeit mit Kindern auch relevant ist. Meiner Ansicht nach muss man bei seiner Tätigkeit, egal in welchem Bereich, kreativ sein, und in meinem Studium war Kreativität ein Muss, so dass ich diese Fähigkeit gut entwickelt habe. Wer kreativ ist, findet einen besseren Weg, Probleme zu lösen, und das wünsche ich mir auch für die Kinder. Ich möchte gern mit ihnen arbeiten, weil ich eine fröhliche und bunte Atmosphäre bevorzuge und mir eine Arbeit mit viel Abwechslung wünsche. In diesem Deutschkurs habe ich genug Mut entwickelt, etwas zu sagen. Früher habe ich mich nicht getraut, meine Meinung einfach zu äußern, weil ich immer Angst hatte, Fehler zu machen.
Maria Oncea, 20 Jahre, aus Rumänien: Ich habe schon ehrenamtlich mit Kindern gearbeitet und seit meiner Jugend eine große Leidenschaft für die Betreuung und Föderung von Kindern. Je weiter ich beim Erlernen des Deutschen voranschreite, desto mehr erkenne ich, wie viel ich noch lernen muss, um die Sprache gut zu beherrschen. Bis zum Prüfungstermin möchte ich noch möglichst viele C1-Prüfungen simulieren, um meine Konzentration zu trainieren. Schon zwei Sekunden Unaufmerksamkeit können das Ergebnis sehr beeinträchtigen!
Ana Paulina Flores, 31 Jahre, aus Mexiko: Ich bin eigentlich Designerin von Beruf, habe aber viele Jahre bei Sommercamps und als Vertretungslehrerin in Mexiko gearbeitet. Ich verbringe sehr gern Zeit mit Kindern und bin davon überzeugt, dass man von ihnen viel über sich selbst und das Leben lernen kann. Die wichtigsten Kenntnisse, die ich aus diesem C1-Kurs bisher mitgenommen habe, sind die N-Deklination und die Kommasetzung, aber auch andere Sachen, die mir bisher fremd waren, wie der Superlativ und das Präteritum.
Lenke Nacsa, 39 Jahre, aus Ungarn: In meiner Heimat habe ich als Babysitterin und Kindergartenhelferin gearbeitet. Am Beruf der Elementarpädagogin faszinieren mich die Vielseitigkeit der Aufgaben und die Tatsache, sich jeden Tag neuen Herausforderungen stellen zu müssen. Als ich mit dem Kurs begonnen habe, war ich mir bei der Verwendung des Passivs unsicher, aber jetzt verstehe ich es schon besser und probiere es richtig zu verwenden. Große Kopfschmerzen bereitet mir noch die Nominalisierung, die muss ich unbedingt bis zur Prüfung beherrschen!
Rollenspiele gehören ebenso zur Vorbereitung im Sprachkurs wie Referate, die die angehenden Elementarpädagoginnen natürlich am liebsten zu Themen halten, die in ihrer späteren Laufbahn eine wichtige Rolle spielen, wie zum Beispiel Umweltbildung, Spracherziehung, Basteln oder Tagesablauf im Kindergarten. „Ich möchte mein Selbstbewusstsein beim Sprechen verstärken und für die Ausbildung gut vorbereitet sein“, sagt Ana Paulina Flores. Mit dieser Motivation fällt es ihr und ihren Kolleginnen bedeutend leichter, sich den Herausforderungen zu stellen, die die deutsche Sprache bietet – und die sie mit jedem Tag ein Stück kompetenter und selbstbewusster bewältigen.
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