Deutsch lernen verbindet Menschen aus 120 Ländern
Anthony Philip kommt aus Nigeria, seine Muttersprache ist Edo, die ehemalige Amtssprache des Königreichs Benin, die heute von etwa 2 Millionen Menschen in der Niger-Kongo-Region gesprochen wird. Dursun Kalac wurde in der Türkei geboren und spricht wie etwa 80 Millionen Menschen auf der Welt Türkisch. So unterschiedlich die geografischen und sprachlichen Wurzeln der beiden Männer auch sind, haben sie doch ein paar wichtige Gemeinsamkeiten: Beide sind 37 Jahre alt, beide haben in Wien eine neue Heimat gefunden und beide wollen gut Deutsch lernen, um in Österreich eine Arbeit zu finden und sich hier integrieren zu können. Deshalb sitzen sie jetzt Seite an Seite in einem der vielen Deutschkurse, die das ipcenter im Auftrag des Arbeitsmarktservice, des Österreichischen Integrationsfonds oder der Stadt Wien anbietet: Rund 5300 Menschen aus 120 Herkunftsländern und mit 85 verschiedenen Erstsprachen haben 2023 am Standort Erlachgasse 134-140 ihre Deutschkompetenzen (DaF/DaZ) gestärkt.
Bei aller Verschiedenartigkeit der Teilnehmenden nicht auf das Trennende schauen, sondern den Fokus auf das Verbindende legen, ist die Devise der rund 80 Trainer:innen, die beim ipcenter die Sprache, aber auch die Regeln und Werte Österreichs unterrichten. „Manchmal driften Moralvorstellungen weit auseinander, aber ich mache den Teilnehmenden in so einem Fall klar, dass es ihr gemeinsames Ziel ist, Deutsch zu lernen“, sagt Trainerin Christine Schwab. Akzeptanz und
Toleranz seien wichtige Eigenschaften, um miteinander zu lernen anstatt einander feindlich gegenüberzustehen. Wenn es gelinge, den Fokus auf das Gemeinsame zu legen, gebe es nur selten Konflikte.
Bei aller Verschiedenartigkeit der Teilnehmenden nicht auf das Trennende schauen, sondern den Fokus auf das Verbindende legen, ist die Devise der rund 80 Trainer:innen, die beim ipcenter die Sprache, aber auch die Regeln und Werte Österreichs unterrichten. „Manchmal driften Moralvorstellungen weit auseinander, aber ich mache den Teilnehmenden in so einem Fall klar, dass es ihr gemeinsames Ziel ist, Deutsch zu lernen“, sagt Trainerin Christine Schwab. Akzeptanz und Toleranz seien wichtige Eigenschaften, um miteinander zu lernen anstatt einander feindlich gegenüberzustehen. Wenn es gelinge, den Fokus auf das Gemeinsame zu legen, gebe es nur selten Konflikte.
Falls sie doch auftreten, helfen die Kulturlots:innen vor Ort. Sie beraten sowohl bei kulturellen Unterschieden als auch bei Herausforderungen des täglichen Lebens wie Kinderbetreuung oder Wohnungssuche.
„Viele unserer Teilnehmer:innen sind Frauen, die kleine Kinder, aber keinen Kindergartenplatz haben. Andere haben eine zu kleine Wohnung für ihre große Familie, wieder andere haben ihre Wohnung verloren“, erläutert Patricia Gabler, die die verschiedenen Kursangebote zu Deutsch & Integration im Deutschlerncenter Erlachgasse 134-140 leitet. Den Teilnehmenden wird dort also nicht nur die Schlüsselkompetenz Deutsch vermittelt, sondern ihnen wird auch Orientierung auf ihrem oft schwierigen Weg in eine mitteleuropäische Lebenswelt gegeben.
Etwaige Probleme mit der Arbeit, mit der Kinderbetreuung oder mit der Familie bleiben schließlich nicht vor der Tür, sondern kommen mit hinein in den Deutschkurs. „Beim Unterrichten von Erwachsenen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, ist immer auch zu bedenken, dass solche Probleme das Erlernen der ohnehin schwierigen Sprache und damit die Integration massiv behindern können“, meint Deutschtrainerin Christine Schwab. Sich für die Teilnehmenden und ihre Lebenssituation zu interessieren, sei daher ein wesentlicher Schlüssel zum Lernerfolg: „Das Wichtigste ist es, gleich am Anfang eine gute Beziehung herzustellen und zu erreichen, dass sich die Menschen angenommen fühlen.“ Ein Ansatz, den ihr Kollege Sebastian Costin teilt: „In freundschaftlicher Atmosphäre und auf Augenhöhe lernt es sich einfach besser.“
Wie viele Kolleg:innen im Deutschteam hat Sebastian Costin selbst Erfahrungen mit Migration in ein Land mit einer anderen Sprache: Er ist mit seiner Familie aus Rumänien nach Österreich gekommen. „Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie wichtig es ist, die Sprache zu erlernen, um die Integration zu bewältigen. In meiner ersten Schulwoche in Österreich – damals war ich etwa auf A1-Niveau – habe ich versucht, mich mit Schulkollegen anzufreunden. Einer hat dann mal lachend zu mir gesagt „Hahaha, du Trottel“. Zu Hause habe ich meine Mutter gefragt, ob sie weiß, was das Wort heißt, und bin dann erst draufgekommen, dass es eigentlich gar nicht so schön ist, wie ich dachte.“ Um die Gefahr, dass es zu solchen Missverständnissen kommt, zu verringern, hat Sebastian Costin perfekt Deutsch gelernt, und zwar nicht mit der Hilfe von Österreicher:innen, sondern gemeinsam mit zwei Schulkolleg:innen aus der Slowakei und aus China, die so wie er kaum Deutsch konnten. Seiner Erfahrung nach ist es nicht wichtig, mit wem gesprochen wird, sondern dass überhaupt Deutsch gesprochen wird.
Eine Erkenntnis, die der 20 Jahre alte Salah Gadalla aus Ägypten, der derzeit einen A2-Kurs besucht und später in Österreich studieren möchte, mit modernen Mitteln praktiziert. „WhatsApp-Nachrichten schreibe ich mit meinen Freunden immer auf Deutsch, selbst wenn sie wie ich Arabisch als Muttersprache haben.“
Neben den persönlichen Umständen und Problemen hängt der Lernerfolg auch mit dem Bildungshintergrund zusammen: Wer in seiner Kindheit eine Schule besucht hat und in seiner Muttersprache alphabetisiert wurde oder vielleicht sogar bereits eine Fremdsprache erlernt hat, tut sich leichter damit, Deutsch zu lernen. Als 2015 die ersten Menschen aus Syrien nach Österreich kamen, brachten sie sehr oft noch eine gute Schulbildung mit. Syrien galt als „das“ Bildungsland der arabischen Welt. „Viele der Teilnehmenden, die jetzt in die Kurse kommen, bringen aber gar keine Schulbildung mehr mit, was das Lernen natürlich erschwert“, hat Sebastian Costin beobachtet.
In Alphabetisierungskursen versuchen die Deutschtrainer:innen dann, die Teilnehmenden ganz am Anfang abzuholen und ihnen die Grundlagen der deutschen Sprache Schritt für Schritt zu vermitteln. Die lateinische Schrift lesen und schreiben zu können, ist das eine, Deutsch beim Hören zu verstehen und selbst sprechen zu können, das andere. Damit das gelingt, legt Sebastian Costin Wert darauf, dass die Teilnehmenden so bald wie möglich nicht nur mit einem oder zwei Worten, sondern mit einem ganzen Satz auf Fragen antworten. „So lernt man besser Deutsch.“
Das Erkennen und Befolgen sprachlicher Regeln ist zentraler Bestandteil einer erfolgreichen Integration, aber auch soziale Umgangsformen spielen eine wichtige Rolle. „Sich zu begrüßen und sich zu bedanken, wenn man etwas bekommen hat, ist nicht für alle selbstverständlich“, meint Sebastian Costin. Ebenso ist Pünktlichkeit ein Wert, der anderswo auf der Welt weniger Bedeutung hat, hierzulande für die Eingliederung in den Arbeitsprozess aber durchaus relevant sei, betont Projektleiterin Patricia Gabler. Schließlich ist eine Ausbildung, eine Weiterbildung oder eine Anstellung nach dem Deutschzertifikat für die meisten Kursteilnehmenden das nächste Ziel – und eine weitere Gemeinsamkeit auf dem Weg zur Integration.
Weitaus weniger Kenntnisse setzt das Verstehen von Bildern voraus, denn deren Sprache wird universell gesprochen. Bilder sind daher nicht nur beim Deutschunterricht in der Grundstufe ein wichtiges Element, wo beispielsweise ein Foto von einer Banane oder einem Apfel beim Erlernen des Grundwortschatzes unmittelbar zeigt, was das neue Wort bedeutet, und damit die Übersetzung von einer Sprache in die andere überflüssig macht. Auch bei komplexeren Themen sagt ein Bild oft mehr als tausend Worte – ein Gedanke, der Ausgangspunkt eines war, dessen Ergebnisse bald die Gänge im Deutschlerncenter Erlachgasse schmücken werden. „Herkunft, Identität und Integration“ war das Thema, das Auszubildende der überbetrieblichen Lehrausbildung zum/zur Medienfachmann/-frau (m/w/x) ganz unterschiedlich umgesetzt haben. Dem vielschichtigen Thema liegt ein Gefühl zugrunde, das fast alle kennen, die Tag für Tag durch diese Gänge zu ihren Deutschkursen gehen: Das Gefühl, sich in einer zunächst vollkommen fremden Welt zurechtfinden zu müssen mit dem Ziel, in Österreich eine neue Heimat zu finden.
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