„Die Ausbildung soll allen Spass machen“
Wozu der mit rotem Kunstleder bezogene Sessel dient, ist klar. Aber was ist das für eine lange Stange da unten? Ausbildnerin Eva Leichtfried setzt sich hin und streckt das rechte Bein aus, bis ihr Fuß auf der Stange steht. „Indem ich auf diesen Hebel drücke, kann ich das Gerät zu mir heranholen“, erklärt sie und nimmt die Griffe in die Hände. Der Einstieg in die Übung zur Kräftigung von Arm- und Schultermuskulatur wird so spürbar erleichtert.
Es sind Tricks wie diese, die die Jugendlichen, die an diesem Freitagnachmittag in der Halle vom Speedfit Altmannsdorf einen Halbkreis um Eva Leichtfried bilden, lernen. Es ist ihr erster, aber nicht ihr letzter Aufenthalt dort: Während ihrer vom AMS und waff finanzierten dreijährigen Überbetrieblichen Lehrausbildung werden die angehenden Fitnessbetreuer:innen mehrmals in der Woche in der großen Multisportanlage im Süden von Wien in der Erarbeitung der fachpraktischen Kompetenzen angeleitet. Dabei beginnt die Praxis schon beim Weg, denn die Gruppe legt diesen vom eigentlichen Ausbildungsstandort an der Breitenfurter Straße 111 – 113 zu Fuß zurück, wann immer das Wetter passt – schließlich ist auch Gehen eine Form von Ausdauertraining.
Unzählige andere Möglichkeiten, seinen Körper durch Bewegung zu trainieren, finden sich am Ziel des Weges: Im Speedfit Altmannsdorf gibt es einen großen Außenbereich mit Outdoor-Krafttrainingsgeräten, Gruppenräume für Kurse und eine 1200 Quadratmeter große Halle mit einer unübersehbaren Zahl an Laufbändern, Fahrradergometern, Kurz- und Langhanteln, Kettlebells, Medizinbällen, Ringen und Matten. Selbst eine Kiste an der Wand ist hier nicht einfach eine Kiste, sondern ein Trainingsgerät, kann sie doch zum Herauf- und Herunterspringen benutzt werden. Und nach der Kräftigung warten an einer Wand spezielle Geräte zur Dehnung der Muskulatur.
Verständlich, dass es bei diesem riesigen Angebot nicht leicht ist, sich auf nur ein Gerät und nur eine Übung zu konzentrieren, wie Eva Leichtfried es gerade von den Jugendlichen fordert. Verständlich auch, dass Krafttraining vor den Augen von Gleichaltrigen dazu verleitet, mit einer großen Anzahl an Gewichtsscheiben auf dem Gerät zu beginnen. Keine gute Idee, wie Eva Leichtfried zeigt: „Du lässt die Schultern nicht unten, wie es sein soll, sondern ziehst sie hoch“, erklärt sie am Beispiel eines Auszubildenden und reduziert das Gewicht, damit er die Übung richtig ausführen kann.
An dem Gerät gleich daneben sollten Fitnessbetreuer:innen insbesondere darauf achten, dass die Trainierenden während der Einheit kein Hohlkreuz machen: „Hier darf keine Hand dazwischen passen, sondern der Rücken soll an die Lehne gedrückt werden“, erklärt Eva Leichtfried und lässt die Jugendlichen den Unterschied fühlen. Bevor sie in einem Rollenspiel zu zweit eigene Erfahrungen an den Geräten sammeln können, müssen sie noch einiges beachten: Vor Beginn der Übung muss das Gerät auf den Körper eingestellt werden, also zum Beispiel die richtige Sitzhöhe ermittelt werden. Und auch nachher ist noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen: „Hygienemaßnahmen gehören zu unserem Beruf dazu“, erklärt Eva Leichtfried und zeigt vor, wie Griffe und Sitzflächen gereinigt werden. Während der Übung sollte deshalb das Handtuch, das die jungen Sportler:innen lässig über den Schultern tragen, über die Sitzfläche ausgebreitet werden – etwas, das im jugendlichen Elan leicht vergessen wird. „Und was haben wir dazu gesagt, wie die Übungen ausgeführt werden sollen?“ Fragend blickt Eva Leichtfried in die Runde der Jugendlichen. „Kontrolliert“, fällt Mutaz ein. „Und kontinuierlich“, ergänzt Jovan. „Wenn die Belastung am höchsten ist, atmet man aus“, weiß Kasra. Die Ausbildnerin nickt zufrieden. Der Theorieunterricht hat bereits Früchte getragen, der Praxisteil kann beginnen.
„Wissen interessant zu verpacken, kreativ zu sein, die Ausbildung abwechslungsreich gestalten, sich in die Köpfe der Jugendlichen hineinzuversetzen und auf sie einzustellen, das sind die Anforderungen, die ich erfüllen möchte“, erklärt Eva Leichtfried im anschließenden Gespräch während der Pause auf einer der Trainingsbänke im Außenbereich. Während die Sonne das Fitnessstudio im Freien zu einem Solarium macht und die Jugendlichen begeistert die Geräte testen, blickt die 28-Jährige auf ihre beruflichen Erfahrungen zurück, die sie gut in ihre neue Tätigkeit einfließen lassen kann: Nachdem sie als 15-Jährige selbst eine Ausbildung zur Fitnessbetreuerin begonnen und drei Jahre später abgeschlossen hat, sammelte sie Berufserfahrung in einem Fitnessstudio, wobei sie auch mit Schulklassen und Kindern trainiert und diverse Fortbildungen gemacht hat. 2023 hat sie dann die Berufsreifeprüfung abgelegt und ein Studium der Sportwissenschaften aufgenommen.
Fitness und Bewegung sind für sie zentrale Säulen des Lebens – und nicht nur für sie, meint sie: „Gesundheit ist so wichtig und sie betrifft jeden Menschen.“ Den Jugendlichen möchte sie daher nicht nur die Grundlagen des Berufs wie Anatomie, Sportphysiologie, Ernährungslehre und gesunde Lebenshaltung vermitteln, sondern auch die Freude am Tun: „Mein Ziel ist, dass ihnen und mir die Ausbildung Spaß macht.“
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